29.03.2013 BEUEL. Ein wenig ungläubig schauen die Kinder den Erwachsenen an, der ihnen allen Ernstes klar machen will, dass bald in dem großen Kasten vor ihnen Küken schlüpfen. Doch Geflügelzüchter Erich Lindsiepe aus Hangelar bleibt dabei: "In 21 Tagen ist es in Eurem Kindergarten soweit." Lindsiepe ist sämtlichem Federvieh seit seiner Jugend im Sauerland verfallen. "Wir hatten schon immer Hühner und scharfe Gänse", erinnert sich der 71-Jährige.
Jetzt, im - sehr beschäftigten - Alter, hat er es sich zur Aufgabe gemacht, den Nachwuchs von heute für aussterbende Haustierrassen und Hühner im Besonderen zu begeistern. Passend zum Osterfest macht er deshalb mit seiner Brutmaschine im städtischen Kindergarten am Veilchenweg in Hoholz Station. Erich und seine Maschine sind gefragt: "Ich habe in nächster Zeit noch vier Kindergärten auf der Warteliste."
Es war die Frau seines Tierarztes Christian Schütte, die den Kontakt hergestellt hat. "Wir waren bei Herrn Lindsiepe zu Besuch und sind ins Gespräch gekommen", erzählt Birgit Schütte, deren Tochter Emilia (3) ebenfalls in die Hoholzer Kita geht. Der Hühnerfan nähert sich derweil mit den Kindern biologischen Dingen an. "Ihr wart ja auch mal ganz klein in Mamas Bauch", sagt er und hält ein Modellei hoch. Allerdings verändere sich beim Huhn die Außenschale im Gegensatz zum menschlichen Bauch nicht.
Und er stellt gar nicht so einfache Fragen. Woran man sehe, ob ein weißes oder ein braunes Ei gelegt werde? Ratlosigkeit bei den Zwei- bis Fünfjährigen. "Die Mittelmeerrassen haben weiße Ohrscheiben und legen auch weiße Eier", sagt der Fachmann. Eine französische Rasse produziere sogar schokoladenbraune Eier. "Und die asiatischen Rassen, die schweren pummeligen, die haben alle braunschalige Eier." Emilia und Stella zeigen sich beeindruckt.
Dann dreht sich endlich alles um die Brutmaschine. "Jetzt nimmt mal jeder ein Ei in die Hand", fordert der 71-Jährige den Nachwuchs auf. Die Spitze müsse nach unten in den gelben Kippwender gelegt werden. "Bruteier immer auf der Spitze lagern, damit die Luftblase des stumpfen Endes oben liegt", empfiehlt Lindsiepe. Der kleine Dennis findet das Ei so faszinierend, dass er es gar nicht mehr hergeben möchte, und Franz hat Probleme, das Runde vom Spitzen zu unterscheiden. Doch dann sind fast alle 42 Mulden in dem gelben Wender besetzt.
"Die Eier müssen drei Mal pro Tag gedreht werden, sonst entwickelt sich das Ei nicht", erzählt der Hangelarer, der auf seinem Hof 120 Küken, 40 Hühner, 13 Enten, zwei Pferde, einen Ziegenbock und Fasane beheimatet. In der Natur wende die Glucke ihre Brut, damit die innere Eihaut nicht festwachse. In Hoholz übernimmt das der Motor der Brutmaschine. Eine Wasserschale sorgt für maximal 65 Prozent Luftfeuchtigkeit im Gerät.
"Guckt mal, am dritten Tag bilden sich auf dem Dotter Blutgefäße, die den Embryo mit Nährstoffen versorgen", sagt Lindsiepe und nimmt Kunstei Nummer 3 aus seinem Bausatz. Wenn man das Ei an Tag 6 durchleuchte, dann sähen diese Blutgefäße wie ein Spinnennetz aus. "Am 18. Tag müssen wir Sauerstoff in die Maschine geben und am 19. Tag baden wir die Eier, dann sehen wir, wie sie im Wasser schaukeln", sagt Lindsiepe und umschreibt damit für Kinderohren das Schwemmen, das unter anderem die Schale weicher macht. Für die eigentliche "Geburt" werde der Rollwender durch ein Schlupfrost ersetzt. Am 21. Tag picke das Küken mit seinem Eizahn die Schale auf. Bleibe die Temperatur nicht konstant bei 36,8 Grad, schlüpfe das Küken erst am 23. Tag.
Die Kinder sind begeistert und machen es sich auf den Strohballen, die ihre Erzieherinnen stilecht aufgestellt haben, bequem. Wenn alles gut läuft, werden die Kinder schon bald 35 Küken aus der Brutmaschine in die Kiste unter das Rotlicht stellen können. Danach nimmt der Hühnerfachmann die Tiere an sich. Die Kinder stürmen zum Mittagessen und verpassen so Lindsiepes Hackordnung zum Schluss: "Jeder Hahn hat eine Lieblingshenne, und die sitzt immer links von ihm." (Silke Elbern)